AUF NACH ABERON
Unter
Saphira erstreckte sich der weglose Wald zu allen Seiten bis zum
fernen Horizont und verblasste dabei von tiefstem Grün zu einem
milchigen, verwaschenen Purpur. Schwalben, Rotfinken und andere
Waldvögel schwirrten über den knorrigen Kiefern umher und stießen
aufgeregt Warnrufe aus, als sie Saphira erblickten. Sie flog dicht
über den Baumkronen, um ihre beiden Mitreisenden vor den eisigen
Temperaturen der höheren Himmelsregionen zu bewahren.
Abgesehen von dem einen Mal, als Saphira vor
den Ra’zac in den Buckel geflohen war, hatte sie keine Gelegenheit
gehabt, mit Eragon zusammen eine lange Strecke zu fliegen, ohne
landen zu müssen oder von Gefährten auf dem Boden aufgehalten zu
werden. Sie genoss die Reise daher in besonderem Maße und fand
großen Gefallen daran, Eragon zu demonstrieren, wie sehr Glaedrs
Unterricht ihre Kraft und Ausdauer gesteigert hatte.
Nach anfänglichem Unbehagen sagte Orik zu
Eragon: »Ich bezweifle zwar, dass ich mich in der Luft jemals
richtig wohl fühlen werde, aber ich verstehe jetzt, warum es dir
und Saphira so viel Spaß macht. Beim Fliegen fühlt man sich so frei
und losgelöst, wie ein scharfäugiger Adler auf der Jagd nach Beute!
Es macht mir Herzklopfen, oh ja.«
Um sich während der langen Reise die Zeit zu
vertreiben, spielte Orik mit Saphira Rätselraten. Eragon hielt sich
meist aus den Wettbewerben heraus, denn mit Rätseln hatte er sich
nie sonderlich geschickt angestellt. Das verschlungene Denken, das
nötig war, um sie zu lösen, schien ihm nicht zu liegen. Darin war
Saphira ihm klar überlegen. Wie die meisten Drachen hatte auch sie
eine Schwäche für Rätsel und konnte sie im Nu lösen.
Orik sagte: »Ich kenne nur Rätsel in der
Zwergensprache. Ich versuche, sie zu übersetzen, so gut es geht,
aber es könnte manchmal ein bisschen holprig klingen.« Dann trug er
vor:
Erst bin ich
groß,
Dann bin ich klein.
Ich leuchte hell
Und Urûrs Hauch ist mein Feind.
Dann bin ich klein.
Ich leuchte hell
Und Urûrs Hauch ist mein Feind.
Das ist
ungerecht, grummelte Saphira, ich weiß doch kaum etwas über eure
Götter! Eragon musste ihre Worte nicht wiederholen, denn
der Zwerg hatte ihr erlaubt, sich in Gedanken mit ihm zu
verständigen.
Orik lachte. »Gibst du dich etwa schon
geschlagen?«
Niemals! Einige Minuten lang hörte man nur das
Auf und Ab ihrer Flügelschläge, bis sie fragte: Ist es eine Kerze?
»Richtig!«
Eine warme Rauchwolke schlug Orik und Eragon
entgegen, als sie ärgerlich schnaubte. In
solchen Rätseln bin ich nicht gut. Seit ich aus dem Ei geschlüpft
bin, habe ich mich kaum in Häusern aufgehalten, deshalb kenne ich
mich mit Haushaltsgegenständen nicht aus. Dann fragte
sie: Welches Kraut heilt alle
Krankheiten?
Diese Nuss konnte Orik nicht knacken. Er
brummte und knurrte und knirschte verdrossen mit den Zähnen. Hinter
ihm musste Eragon grinsen, denn in Saphiras Geist sah er ganz
deutlich die Antwort. Schließlich sagte Orik: »Na schön, du hast
gewonnen. Was ist es?«
Thymian.
Jetzt war es an Orik, sich zu beschweren.
»Das ist ungerecht! Bei uns im Beor-Gebirge gibt es kaum
Kräuter. Woher soll ich das also
wissen?«
Das ist doch nicht mein
Problem. Das Rätsel gilt.
Eragon sah, wie sich Oriks Nackenmuskeln
anspannten, als der Zwerg trotzig den Kopf hob. »Na gut, Eisenzahn,
wenn das deine Einstellung ist, dann sollst du jetzt ein Rätsel
lösen, das jedes Zwergenkind kennt.«
Ich bin benannt nach Morgothals Schmiede und nach
Helzvogs Schoß.
Ich verschleiere Nordvigs Tochter und bringe den grauen Tod.
Und mit Helzvogs Blut erschaffe ich die Welt von neuem.
Wer bin ich?
Und so stellten sie sich immer neue und
schwerere Rätselaufgaben, während unter ihnen Du Weldenvarden
vorbeirauschte. Durch die Lücken im Geäst konnte man oft
verschlungene silberne Streifen ausmachen, bei denen es sich um
einige der zahlreichen Flüsse handelte, die den Wald durchzogen. Um
Saphira herum türmten sich die Wolken zu fantastischen Gebilden
auf, zu gewaltigen Gewölben und Domen und Säulen, zu Bergen, Tälern
und Schluchten, die von einem glühenden Lichtschein durchdrungen
waren, in dem Eragon sich fühlte, als flögen sie durch einen
Traum.
Saphira war so schnell, dass sie bei Anbruch
der Nacht Du Weldenvarden bereits hinter sich gelassen und die
rostbraune Steppe erreicht hatten, die den riesigen Zauberwald von
der Wüste Hadarac trennte. Sie schlugen ihr Lager im Gras auf und
setzten sich um ihr kleines Feuer, ganz allein auf der unendlichen
Weite der Welt. Sie blickten vor sich hin und sagten kaum etwas,
denn Worte unterstrichen nur, wie bedeutungslos sie in dieser
kargen, gottverlassenen Landschaft waren.
Eragon nutzte die Gelegenheit, um einen Teil
seiner Kraft in den Rubin an Zar’rocs Knauf zu übertragen. Saphira
folgte seinem Beispiel, und der Edelstein speicherte alle Energie,
die sie ihm gaben. Es würde einige Tage dauern, bis sie den Rubin
und die zwölf Diamanten, die sich in Beloths Gürtel verbargen,
komplett mit Energie aufgeladen hätten, vermutete Eragon.
Hinterher legte er sich erschöpft neben
Saphira, kuschelte sich in seine Decke und sank langsam in einen
Wachschlaf, in dem vor dem Sternenmeer über ihm seine nächtlichen
Fantastereien abliefen.
Als sie am nächsten Morgen ihre Reise
fortsetzten, machte das üppige Gras bald braunem Gestrüpp Platz,
das immer spärlicher wurde, bis es seinerseits einem kargen, von
der Sonne ausgedörrten Untergrund wich, auf dem nur die robustesten
Pflanzen gediehen. Rötlich schimmernde Sanddünen kamen in Sicht.
Von seinem Ausguck auf Saphiras Rücken kamen sie Eragon vor wie
Wellen, die auf ewig einer fernen Küste entgegenwogten.
Als die Sonne unterging, bemerkte er im
Osten eine Berggruppe und wusste, dass er auf die Du Fells
Nángoröth blickte, wo einst die wilden Drachen hingegangen waren,
um sich zu paaren, ihre Jungen aufzuziehen und schließlich um zu
sterben. Irgendwann müssen wir uns diese
Berge einmal anschauen, sagte Saphira, die seinem Blick
gefolgt war.
Ja.
In dieser Nacht spürte Eragon ihre
Einsamkeit noch stärker als am Vorabend, denn sie befanden sich in
der verlassensten Region der Wüste Hadarac, wo die Luft so trocken
war, dass ihm bald die Lippen aufsprangen, obwohl er sie alle paar
Minuten mit Nalgask einrieb. Er spürte kaum Leben im Boden, nur
eine Hand voll armseliger Sträucher und einige wenige Insekten und
Echsen.
Wie bei ihrer Flucht aus Gil’ead durch die
Wüste ließ Eragon im Boden Wasser aufsteigen, um ihre Schläuche
aufzufüllen, und bevor er das restliche Nass wieder versickern
ließ, beobachtete er auf dem kleinen Tümpel noch rasch mit der
Traumsicht Nasuada, um zu erfahren, ob man die Varden schon
angegriffen hatte. Zu seiner Erleichterung war dies nicht der
Fall.
Am dritten Tag seit ihrer Abreise aus
Ellesméra kam hinter ihnen ein starker Wind auf und trug Saphira
schneller voran, als sie aus eigener Kraft hätte fliegen können,
sodass sie die Wüste Hadarac bald vollständig überquert
hatten.
Am Rande der Einöde flogen sie über eine
Gruppe von berittenen Nomaden hinweg, die zum Schutz vor der Hitze
fließende Gewänder trugen. Die Männer riefen einander in ihrer
grollenden Sprache Warnungen zu und zeigten mit ihren Schwertern
und Speeren drohend auf Saphira, aber keiner wagte es, einen Pfeil
auf sie zu schießen.
Am Abend schlugen Eragon, Saphira und Orik
ihr Lager am Südende des Silberwaldes auf, der am See Tüdosten lag
und seinen Namen trug, weil er fast gänzlich aus Buchen, Weiden und
Silberpappeln bestand. Im Gegensatz zum ewigen Halbdunkel unter den
gewaltigen Kiefern von Du Weldenvarden war der Silberwald
lichtdurchflutet und erfüllt vom Zwitschern der Lerchen und vom
sanften Rascheln des Laubs. Die Bäume kamen Eragon jung und
glücklich vor, und er war froh, dort zu sein. Und obwohl nichts
mehr an die Wüste erinnerte, blieb es deutlich wärmer, als er es zu
dieser Jahreszeit gewöhnt war. Es kam ihm vor, als wäre es schon
Sommer und nicht erst Frühling.
Vom Silberwald aus flogen sie auf direktem
Wege nach Aberon, der Hauptstadt von Surda. Den Weg ließ sich
Eragon von den Erinnerungen der Vögel weisen, denen sie begegneten.
Saphira machte keine Anstalten, sich zu verstecken, und oft hörten
sie verblüffte oder erschrockene Rufe aus den Dörfern, über die sie
hinwegflogen.
Am späten Nachmittag trafen sie in Aberon
ein, der niedrigen, ummauerten Stadt, die um einen steilen Hügel
herum in einer ansonsten ebenen Landschaft lag. Auf der Kuppe des
Hügels stand die Burg Borromeo. Der weitläufige Bau wurde von drei
konzentrischen Mauern, mehreren Wachtürmen und hunderten von
Katapulten geschützt, die Angreifer abwehren sollten. Das Licht der
tief stehenden Sonne warf einen goldenen Glanz über die Häuser und
beleuchtete eine riesige Staubwolke am Westtor der Stadt, wo ein
Soldatentrupp Einlass begehrte.
Als Saphira den Innenhof der Burg
ansteuerte, brachte sie Eragon in Kontakt mit dem verschlungenen
Gedankenstrom der Menschen in der Hauptstadt. Anfangs überwältigte
ihn der Lärm - wie sollte er so nach Feinden lauschen und
gleichzeitig ganz ruhig bleiben? -, bis ihm klar wurde, dass er
sich wieder einmal zu sehr auf Einzelheiten konzentrierte. Er
musste nur die allgemeine Gefühlslage der Menschen erspüren. Er
erweiterte seinen Wahrnehmungsbereich, und die einzelnen Stimmen,
die um seine Aufmerksamkeit buhlten, verschmolzen zu einer
zusammenhängenden Emotionsebene, die sich wie ein Laken über der
Stadt ausbreitete und sich mit den Gefühlen der Menschen hob und
senkte und sich turmhoch aufblähte, wenn jemand von extremer
Leidenschaft gepackt wurde.
So spürte Eragon die Aufregung, die die
Menschen ergriff, sowie sich die Kunde von Saphiras Ankunft
verbreitete. Sei
vorsichtig, warnte er sie. Wir
wollen nicht, dass man uns angreift!
Mit jedem von Saphiras mächtigen
Flügelschlägen wirbelten Staubwolken auf, als sie in der Mitte des
Innenhofs landete und die Klauen in den blanken Erdboden grub. Die
im Hof angebundenen Pferde wieherten vor Angst und veranstalteten
einen solchen Aufruhr, dass Eragon in ihren Geist eindringen und
sie mit Worten in der alten Sprache beruhigen musste.
Eragon stieg nach Orik ab und beäugte die
vielen Soldaten auf dem Wehrgang und an den geladenen Katapulten.
Die Waffen ängstigten ihn zwar nicht, doch er hatte keine Lust,
sich in einen Kampf mit seinen Verbündeten verwickeln zu
lassen.
Eine Gruppe von zwölf Männern, darunter
einige Soldaten, kam aus einem Gebäude und eilte auf Saphira zu.
Sie wurden von einem groß gewachsenen Mann angeführt, der die
gleiche dunkle Haut hatte wie Nasuada. Es war erst die dritte
Person mit dieser Hautfarbe, die Eragon zu Gesicht bekam. Zehn
Schritte entfernt blieb der Mann stehen und verneigte sich, so wie
seine Begleiter auch, dann sagte er: »Willkommen, Drachenreiter.
Ich bin Dahwar, Sohn von Kedar. Ich bin König Orrins
Majordomus.«
Eragon neigte das Haupt. »Und ich bin Eragon
Schattentöter, niemandes Sohn.«
»Ich bin Orik, Sohn von Thrifk.«
Und ich bin Saphira,
Tochter von Vervada, sagte Saphira und ließ Eragon ihre
Worte übermitteln.
Dahwar verneigte sich erneut. »Ich
entschuldige mich dafür, dass kein Ranghöherer als ich zugegen ist,
um so ehrenwerte Gäste wie Euch zu empfangen, aber König Orrin,
Nasuada und mit ihr alle Varden sind bereits aufgebrochen, um
Galbatorix’ Streitmacht gegenüberzutreten.« Eragon nickte. Er hatte
nichts anderes erwartet. »Ich soll Euch ausrichten, dass Ihr Euch
unverzüglich zu ihnen begeben mögt, denn ohne Eure Hilfe können sie
den Tyrannen nicht besiegen.«
»Könnt Ihr uns auf einer Landkarte zeigen,
wo sie sind?«, fragte Eragon.
»Natürlich, Herr. Möchtet Ihr hineingehen
und Euch ein wenig erfrischen, während ich die Landkarte
hole?«
Eragon schüttelte den Kopf. »Dafür ist keine
Zeit. Außerdem muss nicht ich die Karte sehen, sondern Saphira, und
ich bezweifle, dass sie in eure Hallen hineinpasst.«
Das schien den Majordomus zu überraschen. Er
blinzelte und ließ den Blick über Saphira wandern, dann sagte er:
»Sehr wohl, Herr. Fühlt Euch jedenfalls als unser Gast. Wenn Ihr
oder Eure Gefährten etwas wünscht, braucht Ihr nur zu
fragen.«
Zum ersten Mal wurde Eragon richtig bewusst,
dass er Befehle erteilen und erwarten konnte, dass man sie
befolgte. »Wir brauchen Verpflegung für eine Woche. Für mich nur
Obst, Gemüse, Mehl, Käse und Brot. Außerdem muss jemand unsere
Wasserschläuche füllen.« Es verwunderte ihn, dass Dahwar ihn nicht
fragte, warum er kein Fleisch wollte. Dann bestellte Orik sich
Speck, Schinken, Pökelfleisch und dergleichen mehr.
Mit einem Fingerschnippen schickte Dahwar
zwei Diener in die Burg, um den Proviant zu holen. Während im Hof
alle auf die Rückkehr der Männer warteten, fragte der Majordomus:
»Darf ich aus Eurer Anwesenheit schließen, Schattentöter, dass Ihr
Eure Ausbildung bei den Elfen abgeschlossen habt?«
»Meine Lehrzeit endet erst, wenn ich
sterbe.«
»Oh.« Einen Moment zögerte Dahwar, dann
sagte er: »Entschuldigt bitte meine Vermessenheit, Herr, denn ich
weiß nicht viel über Drachenreiter, aber seid Ihr kein Mensch? Man
sagte mir, Ihr wäret einer.«
»Das ist er auch«, brummte Orik. »Man hat
ihn... verwandelt. Und darüber solltet Ihr froh sein, denn sonst
würden wir jetzt wirklich in der Klemme sitzen.« Dahwar besaß genug
Taktgefühl, um das Thema nicht weiter zu vertiefen, aber aus seinen
Gedanken schloss Eragon, dass der Majordomus ein nettes Sümmchen
für ein paar Auskünfte bezahlt hätte - jede Information über Eragon
und Saphira war kostbar für Orrins Regierung.
Wenig später kehrten die beiden Diener mit
dem Proviant und der Landkarte zurück. Auf Eragons Geheiß stellten
sie die Sachen neben Saphira ab; sie sahen dabei furchtbar
verängstigt aus. Dann nahmen sie wieder ihren Platz hinter Dahwar
ein. Der Majordomus hockte sich auf den Boden, rollte eine Karte
aus, die Surda und die angrenzenden Länder zeigte, und zog eine
Linie von Aberon nach Cithrí im Nordwesten. »Als Letztes habe ich
gehört, dass König Orrin und Nasuada dort Halt machten, um
Marschverpflegung zu besorgen. Sie wollten aber nicht dort bleiben,
denn die Truppen des Imperiums rücken am Jiet entlang nach Süden
vor, und Nasuada möchte zur Stelle sein, wenn die feindliche
Streitmacht eintrifft. Die Varden müssten sich also irgendwo
zwischen Cithrí und dem Fluss befinden. Es ist zwar nur meine
bescheidene Meinung, aber ich glaube, Ihr solltet am besten bei den
brennenden Steppen nach ihnen Ausschau halten.«
»Die brennenden Steppen?«
Dahwar lächelte. »Vielleicht kennt Ihr sie
ja unter ihrem elfischen Namen: Du Völlar Eldrvarya.«
»Ah, ja.« Jetzt erinnerte sich Eragon. Er
hatte in Oromis’ Geschichtsunterricht darüber gelesen. Der
torfreiche Landstrich lag auf der Ostseite des Jiet-Stroms, wo er
auf Surdas Grenze traf und wo es einst ein Gefecht zwischen
Drachenreitern und Abtrünnigen gegeben hatte. Während des Kampfes
hatten die Drachen mit ihren Feuerstößen versehentlich den Torf in
Brand gesetzt und das Feuer hatte sich unter die Erde gefressen und
glomm dort bis heute vor sich hin. Wegen der giftigen Dämpfe, die
aus dem verkohlten Boden aufstiegen, hatte man den Landstrich für
unbewohnbar erklärt.
Ein Schauder kroch Eragon über den Rücken,
als ihm seine Visionen wieder einfielen: Heerscharen von Kriegern,
die auf einem rot glühenden Schlachtfeld aufeinander stießen,
begleitet von schrillem Krähengeschrei und dem Zischen schwarzer
Pfeile. Er schauderte erneut. Unser
Schicksal nimmt seinen vorbestimmten Lauf, sagte er zu
Saphira. Dann deutete er auf die Landkarte und fragte
sie: Hast du genug gesehen?
Ja.
Eilig verstauten er und Orik die Vorräte,
stiegen wieder auf und dankten Dahwar von Saphiras Rücken aus für
seine Dienste. Als der Drache abheben wollte, runzelte Eragon die
Stirn; er verspürte Zwietracht in den Gefühlen der Menschen, die er
im Geiste überwachte. »Dahwar, zwei Stallburschen sind in Streit
geraten, und einer der beiden, Tathal, ist drauf und dran, den
anderen umzubringen. Noch kannst du ihn davon abhalten, wenn du
sofort jemanden hinschickst.«
Erstaunt riss Dahwar die Augen auf und
selbst Orik drehte sich um und sah Eragon verblüfft an. Der
Majordomus fragte: »Wie könnt Ihr das wissen?«
»Weil ich ein Drachenreiter bin.«
Dann breitete Saphira die Flügel aus, und
die Menschen am Boden stoben auseinander, um nicht von den
kräftigen Luftstößen umgeworfen zu werden, die ihr Startmanöver
verursachte. Während hinter ihnen die Burg zusammenschrumpfte,
fragte Orik: »Kannst du meine Gedanken auch lesen, Eragon?«
»Soll ich es mal versuchen? Ich habe es
nämlich noch nie gemacht.«
»Ja, versuche es.«
Stirnrunzelnd richtete Eragon seine
Konzentration auf das Bewusstsein des Zwergs und stellte überrascht
fest, dass Oriks Geist von einer breiten mentalen Barriere
geschützt wurde. Er konnte seine Gegenwart spüren, aber nicht seine
Gedanken und Gefühle. »Ich sehe nichts.«
Orik grinste. »Gut. Ich wollte mich bloß
vergewissern, dass ich meine alten Lektionen nicht vergessen
habe.«
In unausgesprochenem Einvernehmen
verzichteten sie auf ein Nachtlager und pflügten weiter durch den
schwarzen Himmel. Von Mond und Sternen war nichts zu sehen, nicht
der blasseste Schimmer, so dicht war die Wolkendecke. Die Zeit zog
sich endlos dahin, und irgendwann kam es Eragon so vor, als würden
sich die Sekunden nur widerwillig der Vergangenheit ergeben.
Als endlich die Sonne aufging, landete
Saphira am Ufer eines kleinen Sees, damit Eragon und Orik sich die
Beine vertreten, sich erleichtern und frühstücken konnten, ohne
sich dabei auf Saphiras Rücken durchschütteln lassen zu
müssen.
Sie waren erst seit wenigen Minuten wieder
in der Luft, als eine lange, tief hängende braune Wolke am Horizont
auftauchte, wie ein Schmutzfleck auf weißem Papier. Die Wolke wurde
breiter und breiter, während Saphira darauf zuflog, bis schließlich
das ganze Land unter einem Nebel aus stinkenden Dämpfen verborgen
war.
Sie hatten die brennenden Steppen von
Alagaësia erreicht.